Die Qual der Wahl

Nicht erst seit Corona ist müssen sich Schweizer Firmen mit der digitalen Transformation und somit oft mit der strategischen Neuausrichtung ihrer Unternehmung auseinandersetzen. Studien zeigen, dass sie dies mehr oder weniger erfolgreich tun – meine persönliche Erfahrung hat gezeigt, dass die Erfolgsfaktoren nicht in der Auswahl an, sondern der Möglichkeiten zu suchen sind. Eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Strategie und die Schärfung der eigenen Vision sind unerlässlich, um im Dschungel der neuen Opportunitäten nicht vom Weg abzukommen. Und nur die relevantesten, effektivsten Initiativen zu verfolgen. Schlagwörter wie KI, Blockchain oder Apps müssen dabei bei Weitem nicht in jedem Transformationsplan auftauchen. Dieses Prinzip wandten wir beispielsweise bei der Industrialisierung eines Postenlaufs für junge Chirurgen an.

Industrialisierung eines Postenlaufs für junge Chirurgen

Praktische Übungen sind für Chirurgen enorm wichtig, um ihre Fingerfertigkeit zu trainieren und zu perfektionieren. Früher wurden diese an echten Knochen erprobt, heute werden besonders für Grundlagentrainings künstliche Ersatzmodelle eingesetzt. Diesen Zweck erfüllt ein einzigartiger Postenlauf, der aus zehn Stationen besteht und neben biomechanischen Prinzipien auch den Knochenheilungsprozess erlebbar macht. Drei Prototypen des Postenlaufs wurden rund um den Globus eingesetzt – begleitet von zwei Mitarbeitern, welche die Prototypen aufbauten und die Dozenten schulten. Dieser Umstand führte zu hohen Kosten pro Kurs und erlaubte keine Skalierung. Daher sollte der Postenlauf industrialisiert werden: eine Herkulesaufgabe, da niemand von der Zentrale mehr vor Ort sein würde, um die Paletten entgegenzunehmen, die Stationen aufzubauen, die Lehrpersonen einzuführen, und spezifische lokale Bedürfnisse und Herausforderungen abzufedern. Viel musste antizipiert und durchdacht sein – drei Anläufe waren deshalb bereits gescheitert.

Sanfte Digitalisierung der zugehörigen Schulungsunterlagen

Die Vision des Projekts war klar: Möglichst vielen jungen Chirurgen das Üben an den Stationen zu ermöglichen. Gleichzeitig war klar, dass zumindest Teile des Projekts digitalisiert werden mussten, um das Personal vom Hauptquartier zu ersetzen. So wurden Webinare gehalten und aufgezeichnet. Schulungsunterlagen wie Booklets wurden bereitgestellt, damit die Dozenten sich für den Kurs vorbereiten konnten. Für Teilnehmer wurden ebenso Dokumente bereitsgestellt, die vor Ort gedruckt und verteilt werden konnten. Der Hauptaufwand des Projekts war aber klar in der analogen Welt angesiedelt: Die Neukonzeption der Stationen, die Organisation der Verpackung, der Miteinbezug aller möglicher und unmöglicher Begebenheiten, welche die lokalen Mitarbeiter antreffen könnten.

Hauptfokus auf der Überarbeitung des analogen Projektteils

Um unsere Vision zu erreichen, haben wir einen klaren Fokus auf das für uns Relevanteste gelegt: Wir verzichteten bewusst auf eine ausgeklügelte Online-Lernplattform für Dozenten und Teilnehmer sowie Logistikmitarbeiter, und investierten unsere Energie in die Produktentwicklung.

Heute werden die praktischen Übungen standardmässig an allen knapp 200 Grundlagenkursen eingesetzt, und ausschliesslich von lokalen Personen aufgebaut, angeleitet, begleitet und genutzt. Dank mehreren weiteren Lernschlaufen konnten die Prozesse optimiert und der Verbrauch von Materialien weiter gesenkt werden.